Upload Streichquartett – Abschlusskonzert mit dem Sonar Quartett und dem Ensemble ilinx
Mitschnitte vom Konzert am 6. Juni 2021
Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin, Charlottenstraße 55, Studiosaal
Über ein Jahr lang haben Studierende der Kompositionsklassen der UdK Berlin und Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin mit den Musiker*innen des renommierten Sonar Quartetts zusammengearbeitet. Aufgeführt wurden die Kompositionen vom Sonar Quartett und studentischen Quartetten der Hochschulen. Das Konzert vom 6. Juni 2021, das ohne Publikum im Studiosaal der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin stattfand, wurde filmisch mitgeschnitten und wird nun hier auf dieser Seite und auf unserem Vimeo-Kanal präsentiert.
Programm 1:
Mathilde Koeppel, „Unschärfe“ für Streichquartett
Beltrán González, „and when you open your eyes, it’ll still be there“ für Streichquartett
Jakob Böttcher, „Seziertisch“ für Streichquartett
Ensemble ilinx – Studio für Neue Musik der UdK Berlin
Qiuyi Wu, Violine
Beltrán González, Violine (bei Böttcher)
José Luis Perdigón, Violine
Jun Li, Viola
Moritz Kayser, Violoncello
Künstlerische Leitung: Elena Mendoza und Leah Muir
Tutor: Beltrán González
Programm 2:
José Luis Perdigón, “one-act play” for four performers
Tianyang Zhang, „horizontales Indigo“ für Streichquartett
Yul Kweon, Streichquartett
Sonar Quartett
Wojciech Garbowski, Violine
Susanne Zapf, Violine
Nikolaus Schlierf, Viola
Konstantin Manaev, Violoncello
Organisation: Berit Kramer
Leitung: Jörg Mainka, Elena Mendoza, Leah Muir
Veranstaltungsmanagement Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin: Annemarie Stadler
Tutor: Beltrán González
Licht: Ismael Schott
Video und Schnitt: Janick Entremont
Ton: Jakob Böttcher
Die UPLOAD-Workshops fanden statt im Rahmen der Konzertreihe 2020/2021 "EVOLUTION" des Sonar Quartetts, gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds.
Das Programm
mit Biographien und notizen der Komponist*innen
Programm 1 - Ensemble ilinx
Unschärfe
Das Stück „Unschärfe“ ist eine musikalische Interpretation einer sich stetig öffnenden und schließenden Kamerablende, also gibt es wie bei einem teilweise verschwommenen Foto auch in diesem Stück klare und deutliche Figuren, sowie auch unscharfe, verwischte Klänge. Das Prinzip der Unschärfe wird hier auf alle möglichen musikalischen Parameter angewendet: So werden hier mithilfe von Tonhöhen, Geräuschen, Rhythmen, und Spieltechniken die Grenzen der musikalischen Eindeutigkeit und die Übergänge zwischen Schärfe und Unschärfe erkundet.
Mathilde Koeppel wurde am 19. März 1996 in Berlin geboren und studiert seit 2016 bei Prof. Dr. Manolis Vlitakis das Fach Komposition an der Universität der Künste. Seit September 2019 studiert sie zusätzlich „Historischer und Zeitgenössischer Tonsatz“ an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Ihre Werke wurden im Rahmen verschiedener Veranstaltungen uraufgeführt, wie z.B. ihr Stück „Miniaturen“ für Klarinette, Viola und Cello, aufgeführt im Februar 2018 im Rahmen der Konzertreihe „Zoom + Focus“, oder „Aions Reise“ für Klavier, Schlagwerk und Saxophon vom „Trio Noir“ gespielt, im Rahmen des 18. „World Saxphone Congress“ in Zagreb, Kroatien.
"and when you open your eyes, it'll be still there" handelt von statischen Zuständen. Das Stück entspringt dem Klang des ruhigen Atmens. Diese Geste wurde in Musik übersetzt und wurde zum Kernelement der Komposition. Durch seine zirkulierende Natur wird die Intensität und Homogenität bis zu einem Punkt intensiviert, an dem die Individualität eines einzelnen Instruments das vorangegangene Gruppengefühl bricht. Dennoch bleibt das Kreisende bestehen.
Beltrán González studierte Klavier am Konservatorium von La Plata und Orchesterdirigieren an der Nationalen Universität von La Plata. Später setzte er seine Ausbildung am Konservatorium in Straßburg (Frankreich) fort und ist derzeit an der Universität der Künste in Berlin. Er kollaborierte mit dem Orquesta Sinfónica de Mar del Plata, Orquesta de Tucumán, Orquesta de Entre Ríos, Orquesta de la UTN und nahm an mehreren Festivals teil (Accademia Chigiana de Siena, Impuls-Graz, Campos do Jordao, Festival de Curitiba). Als Komponist hatte er seine Werke bei dem Brandenburgisches Staatsorchester, Quartetto Prometeo und Ensemble ilinx uraufgeführt. Er wurde mit Stipendien des argentinischen Mozarteums, Nationales Kunstfonds Argentiniens und der Stiftungen Lucia Löser / Ad Infinitum / DAAD (Deutschland) ausgezeichnet, um seine musikalischen Studien zu fördern.
seziertisch
ein mikrofon-stück für streichquartett
Vielleicht keine Gattung haben wir so verinnerlicht wie das Streichquartett, kein Klang ist uns so vertraut wie das zarte bis satte Zusammenspiel dieser vier Instrumente. Anlass genug, um einen Schritt zurückzutreten und sich zu fragen, was das eigentlich für geheimnisvolle Holzkästen sind, die diese vertrauten Klänge erzeugen: Das Instrument muss auf den Prüfstand, auf den Seziertisch, bestenfalls in Einzelteilen. Akustisches Mikroskop ist dabei das Mikrofon - mit all den Eigenheiten, die es mit sich bringt.
Jakob Böttcher (*1999 in Hamburg) ist Initiator zahlreicher interdisziplinärer künstlerischer Projekte. Er studiert Komposition bei Mathias Hinke und Tonmeister*in an der Universität der Künste Berlin. In seinen Stücken erforscht er zum Beispiel surrealistische Denkansätze, Klänge aus dem Alltag, Klang und Syntax von Sprache sowie szenische Momente. Praktika führten Jakob ins Teldex Studio Berlin. Als freier Autor schreibt er u.a. für die Neue Zeitschrift für Musik. Seit 2020 ist er Stipendiat der Studienstiftung des Deutschen Volkes.
Programm 2 - Sonar Quartett
'One-act play' ist die Erkundung von Schichtungsphänomenen und Interpretationswut. Die verschiedenen Ebenen (Klänge, Gesten, Texte) überlagern sich allmählich und bilden eine chaotische und zeitlose Erzählung. Hinzugefügt wird ein kombinatorischer Impuls, der jedes Material auf alle erdenklichen Art und Weisen umzudeuten versucht, wodurch fast räumliche Momente entstehen oder sich kurzzeitig Fenster zu unbekannten Dramen öffnen. Das Werk versucht auch, Ekstase oder Trunkenheit in den Aufführenden auszulösen. Im Gegensatz zu künstlicher Intelligenz, die unzählige Aufgaben mit Agilität und Frische ausführen kann, führt eine Vielzahl von gleichzeitigen und komplexen Handlungen uns (Menschen) leicht in einen Zustand der Verzweiflung und Angst, aber auch zu einer Trance oder einem veränderten Bewusstseinszustand. Die vier Performer überschreiten die Grenze zwischen instrumentaler oder theatralischer Virtuosität und tauchen ein in die Welt der Fabeln, der Witze, des Zirkus, der Fernsehwerbung oder kleiner hausgemachter Reality-Shows.
José Luis Perdigón (1990) wurde in Santa Cruz de la Palma, Kanarische Inseln, geboren. Er begann seine musikalische Ausbildung im Alter von sieben Jahren an der Musikschule seiner Heimatstadt und schloss 2016 sein Violinstudium am Conservatorio Superior de Música de Canarias unter der Leitung von Branhimir Hristov ab. In diesen Jahren begann er, sich mit den grundlegenden Konzepten der Komposition vertraut zu machen, dank Milena Perisic, einer Komponistin, die ihn mit einer Leidenschaft für kritisches Hören, Eklektizismus und Offenheit beseelte. Derzeit studiert er Komposition an der Universität der Künste (UdK) Berlin bei den Komponisten Manolis Vlitakis, Mathias Hinke und Elena Mendoza und arbeitet mit Musikensembles wie BCN216, Ensemble Ilinx, Vertixe Sonora, Barcelona Modern oder dem Brandenburgischen Staatsorchester Frankfurt. In diesem Jahr wurde er mit dem XIX. Internationalen Joan Guinjoan Preis für junge Komponisten ausgezeichnet.
„horizontales Indigo“
Das Stück besteht aus zwei Hauptaspekten: Zum einen der Kontrast verschiedener Charaktere, die immer wieder versuchen, die Erwartung zu durchbrechen und beim Hören zu überraschen. Zum anderen das Stretto von Schichten unterschiedlicher Konsistenz – ein Wort, das der Malerei entlehnt ist – der Tusche. Ich bin fasziniert von der Verwendung der Tusche in der chinesischen Landschaftsmalerei, durch die der Maler verschiedene Perspektiven der Naturbeobachtung interpretiert. Der Titel "horizontales Indigo" ist von dieser Malerei inspiriert. Es erinnert mich daran, dass verschiedene Konsistenzen der gleichen Farbe vielfältig aufgefasst werden können. Ich stellte mir vor, dass – wenn ich eine Anordnung verschiedener Klangfarben, Volumina und Dichten derselben Geste mache – die echoartigen Effekte ein Bild der fließenden Klänge von mir aus meiner Perspektive erzeugen können.
Tianyang Zhang trat 2013 in das Shanghai Conservatory of Music ein und studierte Komposition bei YE Guohui. Von Oktober 2016 bis Juli 2017 studierte er im Rahmen eines Austauschjahres an der Hochschule für MusikT Hamburg bei Fredrik Schwenk. Zurzeit ist er Masterstudent an der Universität der Künste Berlin und studiert bei Elena Mendoza. In letzter Zeit wandelte sich seine musikalische Ästhetik allmählich in Richtung chinesischer Traditionen, zurück zum eigenen Festland. Seine Musik versucht, eine Welt der Philosophie von Zhuangzi und des Taoismus zu enthüllen, was sich momentan detaillierter in Bezug auf chinesische Landschaftsmalerei, so z.B. in seinen letzten Kompositionen "Landscape Painting Essay - Rocky Stream", "Pavilion alongside Mountains" und "horizontales Indigo". Im Moment erforscht er, wie man "multiperspektivische Ästhetiken“ in der Musik ausdrücken kann, was vielleicht zu einem neuen Weg aus dem konventionellen westlichen Denken von Form und Struktur führen könnte.
übers Stück:
Kurz und lang, Quinte und Septime – das Stück stellt diese zwei Elemente sowohl entgegen als auch zusammen in verschiedenen Formen und Kombinationen dar, die sich ändern und weiter entwickeln im Laufe des Stückes. Wie interagieren und beeinflussen die zwei Elemente mit- und aufeinander? Und was für eine musikalische Form entsteht dadurch?
Yul Kweon wurde 1996 in Seoul geboren. Kurz vor dem Umzug nach Berlin im Jahr 2016 erhielt er Kompositionsunterricht bei Prof. Kyu-Yung Chin, und studiert seit 2018 Komposition an der Ham Hanns Eisler bei Prof. Eun-Hwa Cho. Seine Stücke wurden in mehreren Konzerten aufgeführt im Rahmen der Veranstaltungen wie Neuköllner Originaltöne und MEHRLICHT!MUSIK.
Ensemble ilinx – Studio für Neue Musik der UdK Berlin
ilinx (aus dem Altgriechischen: Rausch) ist für den französischen Soziologen Roger Caillois (Les jeux et les hommes, 1958) eine der vier Kategorien, in die er die menschlichen Spiele unterteilt (neben agon, Wettstreit, alea, Glück und mimicry, Verwandlung der Identität). Ilinx hat zu tun mit Irritationen der Wahrnehmung in Zeit und Raum, mit der Erfahrung von Wirklichkeitsverschiebungen.
Wenn man Musik als Spiel begreift, gehört diese unmissverständlich zu ilinx.
Das Ensemble ilinx ist eine Anlaufstelle für alle an Neuer Musik interessierten Studierenden der Universität der Künste Berlin. Geplant sind ein bis zwei Konzerte pro Semester mit ausgewählten Werken des 20. und 21. Jahrhunderts. Die Konzerte werden akribisch kuratiert, sodass sie ein ästhetisches Ganzes darstellen, jenseits einer bloßen Aneinanderreihung von Stücken. Ferner ist die Beteiligung an Zoom+Focus (Semesterkonzerte der Kompositionsstudierenden) vorgesehen.
Durch die Zusammenarbeit mit dem Studiengang Dirigieren und den Lehrenden Steven Sloane und Harry Curtis ist eine wechselnde musikalische Leitung von Dozenten, Studierenden und gelegentlich Gästen vorgesehen. Eine ständige Kooperation mit Crescendo – Musikfestwochen der UdK Berlin sowie Klangzeitort – Institut für Neue Musik der UdK Berlin und der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin ist angelegt.
Künstlerische Leitung: Prof. Elena Mendoza und Prof. Leah Muir
Tutor: Beltrán González
Sonar Quartett
Seit seiner Gründung 2006 tastet das Sonar Quartett immer wieder die Ränder der klassischen Musik ab, es erschafft Utopien und improvisiert Klangabdrücke, deren Nachhall schon den Weg zum nächsten notierten Werk nährt. Die vier in Berlin lebenden Musiker*innen verstehen sich als komponierendes Streichquartett, das weit über vermeintliche Genregrenzen hinausgreift, indem es sich auch der eigenen Körper, elektronischer Verstärkung und Verfremdung bedient oder auch bildkünstlerische Werke in Klang verwandelt. Neue Musik geht mit dem Sonar Quartett über das Hör- und Sichtbare hinaus, sie wird für die Spielenden und für die Zuhörer gleichermaßen zu einem taktilen Erlebnis. Weit über 100 Uraufführungen teils selbst in Auftrag gegebener Werke hat das Sonar Quartett bereits realisiert.